Inspect, adapt, coffee, repeat.

Concept Reply GmbH
10 min readMar 21, 2023
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John

John ist glücklich. Er lebt mit seiner Frau Hannah und seinen beiden Kindern Emma (4) und Ben (2) in einem kleinen Vorort. Am liebsten spielen die beiden mit ihrem Vater “Der Boden ist Lava”.

Als leidenschaftlicher Product Owner liebt John es, Mehrwert zu schaffen, welches das Leben der Benutzer verbessert. Idealerweise trägt dies dazu bei die Welt zu einem besseren Ort zu machen. Darüber hinaus liebt er guten Kaffee — pur und schwarz — oft viele Tassen am Tag.

Mit seinen 32 Jahren verfügt er über mehrere Jahre Berufserfahrung als Product Owner und hat schon für einige Beratungsunternehmen gearbeitet. Erst kürzlich hat er den PSPO II Zertifizierungstest mit Bravour bestanden und ist somit ein Experte in Scrum und agiler Methodik. John kennt nicht nur die Theorie hinter Scrum und der agilen Denkweise, sondern kann das Wissen auch im Alltag praktisch anwenden. Eine seiner Lieblingsfragen ist das einfache, aber mächtige Warum? um die eigentliche Ursache eines Problems in Erfahrung zu bringen. Eine seiner Haupttätigkeiten ist die Moderation von kollaborativen (Remote-)Workshops zur Findung, Entwicklung und Pflege der Produktvision und ihrer Zwischenziele (siehe Seite 3), um alle Stakeholder und Entwickler in Einklang zu bringen. Neue Anforderungen sind hierbei eine Annahme über einen zukünftigen Produktzustand. Er sieht sie als eine Hypothese, die einen zusätzlichen Mehrwert schaffen könnte.

Um diese zu validieren und um sicherzustellen, dass die Bedürfnisse der Nutzer bestmöglich erfüllt werden, betrachtet John das Produkt stets aus deren Perspektive: Was muss ich von meinen Nutzern lernen? Welcher Funktionsumfang erfüllt die Bedürfnisse meiner Nutzer am besten? Mit welchen Daten kann ich meine Annahme validieren?

Dies sind nur einige der Fragen, die John sich und Anderen ständig stellt, während er das Produkt-Backlog pflegt. Das Backlog enthält alle umsetzungsbereiten Ideen als eine einzige geordnete Liste. Jeder Punkt ist ausgereift genug, um innerhalb der nächsten sechs Monate umgesetzt zu werden. Dies gibt genügend Fokus und dennoch Weitblick. Für darüber hinaus gehende Zeiträume ändern sich die Pläne oftmals zu häufig, als dass die Pflege den Aufwand gegenüber dem Nutzen rechtfertigen würde. Alle anderen Ideen, die noch nicht ausgeklügelt sind oder für die mehr Überlegungen erforderlich sind, entwickelt er an anderer Stelle. Digitale Whiteboards, Mockups und ein digitales Notizbuch sind nur einige der Möglichkeiten, mit denen er Ideen festhält, bis die Zeit reif ist, sie zu verwirklichen.

Als John eines Morgens auf seine dritte Tasse Kaffee wartete, schweifen seine Gedanken zurück zu seiner ersten Begegnung mit Scrum.

Ein holpriger Start

Er erinnert sich, wie aufgeregt er war, als er an seinem ersten Scrum-Kurs teilnahm. Er lernte all die verschiedenen Elemente aus dem Scrum Guide und wie man sie anwendet. Alles klang so durchdacht und vielversprechend, als wäre es der heilige Gral der Softwareentwicklung. Er konnte es nicht abwarten alles anzuwenden.

Doch dann geschah etwas Unerwartetes, als er von seinem Unternehmen mit seinem ersten realen Projekt als Product Owner betraut wurde: Sein Kunde BlueFire Services bat um Unterstützung durch einen Product Owner für den Produktverfolgungsdienst TrackMe!Now!. Das Ziel des Dienstes war es, jede Produkteinheit weltweit zu verfolgen und die Historie der vergangenen Standorte anzuzeigen. Der Dienst konnte große Überseecontainer ebenso verfolgen wie auch kleine Blister in Medikamentenschachteln.

Das Managementteam von BlueFire hatte bereits von Agile und Scrum gehört. Sie kannten die Buzzwords. ALLE Buzzwords! Aber Agile und Scrum waren nur schicke moderne Worte für die bekannten Befehls- und Kontrollstrukturen aus dem Wasserfall. Tägliche Scrum-Meetings waren die perfekte Gelegenheit, um einen aktuellen Statusbericht zu erhalten und den Fortschritt zu kontrollieren.

Sprint Reviews waren nur für den Projektleiter gedacht, damit dieser glänzen konnte. Die Teilnahme von Entwicklern, Designern, Testern oder sogar Benutzern war verpönt. Das Management vertrat die Meinung, dass diese Meetings das Team nur vom Schreiben weiterer Codezeilen ablenken würden. John wurde nur zu den Reviews lediglich eingeladen, um einen Statusbericht zu geben und die neuesten Forderungen der Stakeholder zu notieren.

Eine rebellische Idee

Für John war dies ein echtes Problem. Er war nicht in der Lage, Mehrwert zu schaffen, sondern wurde von den Stakeholdern als Schreiberling oder Proxy benutzt. In einem Sprint Planning verlangten die Stakeholder einen blaue Button und im nächsten Planning einen Grünen. Bei beiden Anforderungen war jedoch unklar, ob dies das Leben der Benutzer verbessern würde.

Als John die Stakeholder zur Rede stellte und die Sinnhaftigkeit der Funktionen in Frage stellte, erhielt er wütende und arrogante Antworten: SIE “kennen die Benutzer am besten” und sie “brauchen diese Funktion unbedingt”. Oder sie “wissen genau, was das Produkt braucht”, weil sie das schon seit Jahrzehnten tun. Für John waren diese Antworten nicht nur unbefriedigend, sondern fühlten sich auch sehr falsch an. So hatte er die Scrum-Theorie nicht gelernt! Diese Art der Produktentwicklung basierte nicht auf den im Scrum Guide beschriebenen drei Säulen Transparenz, Inspektion und Anpassung, sondern waren das genaue Gegenteil. Die Stakeholder blockierten jedoch die Möglichkeit, das Produkt Schritt für Schritt durch einen iterativen Ansatz zu verbessern. So ging es Sprint für Sprint weiter, während John darüber nachdachte, wie er sich am besten behaupten könnte.

Da das Management auch eine direkte Interaktion mit den Nutzern verhinderte, musste John sich etwas anderes einfallen lassen, um zu überprüfen, ob eine Funktion nützlich war oder nicht. Dadurch wollte er die Implementierung unnötiger, ungeliebter und ungenutzter Funktionen vermeiden, die für den Benutzer keinerlei Wert hatten. Im Idealfall würde dies BlueFire sowohl Zeit als auch Geld sparen.

Eines Tages in der Mittagspause zeigte ihm Sarah, eine seiner Kolleginnen aus der Entwicklungsabteilung, aufgeregt ein neues Spiel auf ihrem Handy. Das Ziel war es, so schnell wie möglich auf Dinge zu klicken. John verstand nicht, warum das Spiel so gehypt wurde, aber er hatte dadurch einen Geistesblitz. “Was wäre, wenn wir nicht mit dem Benutzer in Kontakt treten müssten, um Daten darüber zu sammeln, ob eine Funktion nützlich ist? Was wäre, wenn wir einfach die Nutzung messen könnten?” Je mehr er über diese Idee nachdachte, desto sicherer war er, dass dies der richtige Weg war. “Können wir messen, wie oft unsere Funktionen genutzt werden?”, fragte er. “Sicher, das ist kein großer Aufwand”, antwortete Sarah. Mit einem Grinsen fügte sie hinzu: “Es sollte nicht mehr als zwei Tage Arbeit sein, wenn man es ganz schick haben will. Aber es wäre auch möglich, mit einem halben Tag Arbeit einen Prototyp zu erstellen.” “Abgemacht!” John lachte.

Da er nicht in der Lage war, das Feature im Sprint Planning zu priorisieren, brauchte er einen Sponsor für seine Idee, um die anderen Stakeholder zu überzeugen. Also erstellte er eine User Story, in der er beschrieb, wie das Produkt von der Messung der Nutzung von Funktionen profitieren würde. Mit diesen Daten wäre es möglich, fehlende Funktionen zu identifizieren und kaum genutzte Funktionen zu entfernen, was die Kosten für die Wartung und mögliche Fehlerbehebungen senken würde.

Um herauszufinden, welcher der Stakeholder am meisten von dem Feature-Vorschlag profitieren würde, erstellte John eine Liste aller bekannten Stakeholder und bewertete diese. Für Larry, Leiter des Marketings, Mark, Leiter des Supports, und Lynn, Leiterin des Produktmanagements identifizierte er das höchste Interesse an TrackMe!Now!

Ein Rückschlag

Am nächsten Tag präsentierte John Larry die gut formulierte Funktionsanforderung. Leider sah Larry keinen Sinn darin, die Nutzung der Funktionen zu messen. Er erklärte John, dass die Kunden immer alle Funktionen haben wollen. “Wann wurden unsere Kunden das letzte Mal gefragt?” wollte John wissen. “Vor etwa drei Jahren, als wir die Funktion zum Exportieren einer Liste verschwundener Produkte in TrackMe!Now! hinzugefügt haben”, antwortete Larry stolz. Nachdem er Johns Reaktion gesehen hatte, fügte er hinzu: “Und es gibt keinen Grund, ihnen auf die Nerven zu gehen!” Auch das Argument, dass das vorgeschlagene Feature tiefe Einblicke darüber geben würde, welche Funktionen noch stärker beworben werden könnten, überzeugte nicht. John gab auf ihn weiter zu überzeugen.

Als er seine Idee als nächstes Mark vorstellte, erhielt er dieselbe abweisende Antwort. Aus der harschen Antwort gewann John sogar den Eindruck, dass Mark befürchtete, sein Vorschlag könnte zu Entlassungen in seiner Support-Abteilung führen.

Ein mutiger Schritt

Niedergeschlagen und ein wenig schockiert ging er an diesem Abend in seine Lieblingsbar, um Zeit mit seinem besten Freund Jack zu verbringen. Spät am Abend beklagte sich John über seinen Rückschlag in der Arbeit. Jack hörte geduldig 20 Minuten zu, bevor er sagte: “So schlimm, oder? Aber ich glaube, ich weiß, was das Problem ist. Hast du ihnen von dem WARUM erzählt?!” John schaute ihn ausdruckslos an. “Welches WARUM?”

Jack lachte und fuhr fort. “Sieh mal, alles, worüber du mit ihnen gesprochen hast, war, WAS du tun willst und WIE. Aber das Wichtigste hast du völlig vergessen: Das WARUM! Kennst du nicht den Golden Circle? Ich habe vor ein paar Wochen Simon Sineks großartigen Ted Talk gesehen. John, WARUM ist es für dich wichtig, diese neue Funktion zu implementieren? Keine Sorge, ich schicke dir morgen den Link, dann kannst du es selbst herausfinden.”

Am nächsten Morgen erhielt John Jacks E-Mail mit dem Link und er stürzte sich in die Suche nach seinem WARUM. Bald war klar: Er brauchte die Nutzungsindexfunktion, um evidenzbasierte und datengestützte Entscheidungen zur Maximierung des Nutzens für den Benutzer zu treffen. Mit dieser neu gewonnenen Einsicht wollte er sich an Lynn, die Leiterin des Produktmanagements, wenden.

John beschloss, dass der Dienstagmorgen der perfekte Zeitpunkt wäre, um mit ihr zu sprechen. Er fand einen freien 30-Minuten-Termin in ihrem Outlook-Kalender um 10 Uhr. Aufgeregt öffnete er das Einladungsfenster und gab alle notwendigen Details ein. Er vergewisserte sich, dass der Titel der Einladung aussagekräftig war: “Große Chance zur Verbesserung der Abonnementverlängerungen”, und die Details enthielten eine kurze Beschreibung dessen, worüber er sprechen wollte. Außerdem legte er die Dauer der Besprechung auf 25 Minuten fest. Damit hatte sie ausreichend Zeit, um rechtzeitig zu ihrer nächsten Besprechung zu gelangen. Nachdem er alle Details der Einladung überprüft hatte, atmete John tief durch und drückte auf Senden. Als er das Geräusch der ausgehenden Mail hörte, verspürte er Vorfreude.

Ein erster Sieg

Als er am nächsten Morgen seinen Laptop öffnete, fand er eine Antwort von Lynn vor, die den Termin bestätigte. Überrascht bemerkte er, dass sie sogar eine kurze Notiz hinzugefügt hatte: “Hi John, ich freue mich sehr auf unser Treffen und bin gespannt auf deine Idee. Bis nächste Woche.”

Am Dienstagmorgen spürte John das Adrenalin in sich aufsteigen. Während er den Meetingraum vorbereitete, ging er mehrmals seine Präsentation durch. Lynn traf um 9:58 Uhr ein, und nach einer kurzen Begrüßung und etwas Smalltalk begann John, ihr einen kurzen Überblick über das Treffen zu geben.

Anschließend erklärte er, dass er derzeit keine Transparenz darüber hat, wie die Nutzer die Dienste nutzen, und dass es daher unklar ist, ob eine Funktion einen Mehrwert bringt oder nur die Wartungskosten erhöht.

Er zeigte Lynn ein erstes Diagramm, aus dem hervorging, dass die Wartungskosten in den letzten zwölf Monaten erheblich gestiegen waren. Ein zweites Diagramm zeigte, dass die Zahl der Nutzer, die ihr Abonnement im letzten Jahr verlängert haben, rückläufig waren. Als Nächstes wies er darauf hin, dass gleichzeitig die Zahl der Funktionen des Online-Dienstes kontinuierlich zunahm.

Er nutzte die nächsten Minuten, um einen Zusammenhang zwischen dem auffälligen Rückgang der Aboverlängerungen und größeren Produktaktualisierungen der Konkurrenz herzustellen. Dann zog er einen Vergleich zwischen TrackMe!Now! und den konkurrierenden Produkten heran. Daraus ging eindeutig hervor, dass die Konkurrenten die verfügbaren Funktionen einschränkten und sogar einige entfernten, die als Hauptvorteile von TrackMe!Now! angepriesen wurden. Auf der Grundlage der präsentierten Daten kam John zu dem Schluss, dass sie zwingend Einblicke in die Nutzung des Produkts benötigten, um eine relevante Wahl zu bleiben und den Kundenstamm wieder vergrößern zu können. “Und da ich derzeit nicht befugt bin, mit den Nutzern zu sprechen, ist dies die einzige Möglichkeit, wieder auf den richtigen Weg zu kommen. Das erreichen wir, indem wir messen, wie sich die Nutzer verhalten, indem wir den vorgeschlagenen Nutzungsindexes implementieren.”, beendete er seinen Pitch.

Lynn nahm sich einige Minuten Zeit, um die Folien noch einmal durchzusehen, bevor sie John für seine gute Arbeit lobte. “Diese Zusammenhänge sind mir neu, da ich nur immer grüne Statusberichte bekommen habe. Kannst du mir die Folien schicken? Ich muss dringend mit den Stakeholdern und dem höheren Management sprechen. Ich gehe davon aus, dass ich das Management davon überzeugen kann, deine Initiative zu genehmigen.” Mit einem Blick auf ihre Uhr verabschiedete sie sich und versprach, John bald eine Rückmeldung über die nächsten Schritte zu geben. Als sie den Raum verließ, fühlte John sich siegreich.

Zwei Wochen später erhielt er einen Anruf von Lynn, die ihm mitteilte, dass seine Initiative starten konnte und vom CTO unterstützt werde. “Deine Erkenntnisse haben die Aufmerksamkeit der höheren Führungsebene geweckt, und jetzt wollen sie Ergebnisse von mir sehen. Wir sollten uns zum Mittagessen treffen, um die weiteren Schritte zu besprechen, damit wir im nächsten Sprint Planning die Prioritäten richtig setzen können. Und ich möchte, dass du mich auf dem Laufenden hältst. Lass es uns zu einem Erfolg für uns beide machen.” Damit legte sie auf. John war begeistert, seine Idee in Angriff nehmen zu können, aber gleichzeitig auch etwas beunruhigt, denn es stand auf einmal sehr viel mehr auf dem Spiel für ihn. Aber er war endlich auf dem Weg, echten Mehrwert für die Benutzer von TrackMe!Now! zu schaffen.

Er roch frischen Kaffee… und erwachte aus seinem Tagtraum.

Ein Sonnenstrahl

Während er mit seiner Kaffeetasse zurück zu seinem Schreibtisch ging, dachte er über seine Erkenntnisse nach. Er grinste, als er sich daran erinnerte, wie naiv er war zu glauben, dass Unternehmen sich an die Scrum-Regeln halten würden, nur weil sie alle ihre Prozesse umbenannt hatten. Als Product Owner war er damals nicht in der Lage war, die Regeln durchzusetzen oder sein Team bei der Umsetzung der Rahmenprozesse zu leiten. Stattdessen musste er über den Tellerrand hinausschauen, um zumindest einen Mehrwert für die Benutzer schaffen zu können. Er war dankbar für seine Beharrlichkeit und seine Bereitschaft, sich selbst zu hinterfragen und anzupassen.

Als er aus dem Fenster schaute, sah er Lichtstrahlen, die durch die Wolken brachen. Was für ein passendes Bild für seine agile Reise: Immer mehr Methoden erforschen, immer auf der Suche nach Möglichkeiten, Mehrwert zu schaffen und Produkte zum Erstrahlen zu bringen. Er lächelte.

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